Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

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Trabbelju
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Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von Trabbelju »

Ein Rollerfahrer ist nicht erst dann vollkommen frei von der Unfallschuld, wenn er Schutzkleidung trägt, die eigentlich erst bei viel schnelleren Motorrädern üblich ist. Das hat das Landgericht Heidelberg betont.
Eine Mitschuld ist dem Unfallopfer somit nicht allein wegen fehlender Protektoren anzulasten.
Im Streitfall hat ein Auto innerorts einem Motorroller (125 cm³ Hubraum, 90 km/h Höchstgeschwindigkeit) die Vorfahrt genommen und ihn dabei gerammt. Der Fahrer des Wagens hat das Unfallopfer schlicht übersehen.
Der Rollerfahrer konnte nicht mehr bremsen und trug daher mehrere Beinbrüche davon. Das Unfallopfer trug den gesetzlich geforderten Helm.
Gleichwohl ist die Versicherung des Unfallverursachers der Ansicht, dass der Rollerfahrer weniger Verletzungen erlitten hätte, wenn er eine vollständige Motorrad-Schutzkleidung getragen hätte. Daher trage er eine Mitschuld und könne nicht kompletten Schadensersatz fordern.

Kein allgemeines Bewusstsein für Schutzkleidung bei Motorrollerfahrern

Das Landgericht (LG) Heidelberg betonte, dass es keine Protektorenpflicht für Motorroller gibt. Es räumte jedoch auch ein, dass ein Mitverschulden nicht erst dann vorliegen kann, wenn gegen eine Rechtspflicht verstoßen wird. Denn Verkehrsteilnehmer haben alles Zumutbare zu unternehmen, um die Gefahr für sich möglichst gering zu halten.
„Dabei geht es aber nicht darum, die maximale Sicherheit einzufordern, sondern einer vernünftigen Verkehrsanschauung zu entsprechen“, erklärt Rechtsanwalt Frank Böckhaus von der Deutschen Anwaltshotline. Und eine komplette Schutzmontur für Rollerfahrer fällt nach Ansicht des LG Heidelbergs nicht darunter, da kein allgemeines Bewusstsein für Schutzkleidung bei Motorrollerfahrern vorherrsche.
Gleiches gelte etwa für den Fahrradhelm, wie erst kürzlich der Bundesgerichtshof klargestellt hat.
Für hochvolumigere Motorräder hingegen existiere ein solches Bewusstsein.
Der Unfall ereignete sich innerorts – ob er also außerorts hätte Protektoren tragen sollen, könne dahinstehen. Ein Rollerfahrer in Schutzkombi würde außerdem spöttische Bemerkungen aufgrund seines ungewöhnlichen Kleidungsstils riskieren, so der Richter des LG Heidelberg.
Darüber hinaus würden die Geschwindigkeiten eines Motorrollers auch von Rennradlern erreicht. Von ihnen zu verlangen, Protektorenkleidung zu tragen, wäre ebenso undenkbar.
Landgericht Heidelberg, Urteil vom 13.03.2014, Az.: 2 O 203/13
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jumpyZ787
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von jumpyZ787 »

Den Bericht habe ich auch gelesen.
Zum einen fahre ich so gut wie immer mit kompletter Motorrad-Kombi und Stiefeln und bin überhaupt nicht der Meinung, dass man sich mit diesem Look der Lächerlichkeit preisgibt.
Zum anderen ist es doch völlig egal, ob ich mich bei 100 km/h auf ner 1000er aufs Mett lege oder eben halt mit weniger Hubraum.

Ist toll für uns aus rechtlicher Sicht, aber ich werde weiter komplett angezogen fahren.
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dj-inno
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von dj-inno »

Moin,
hier in Lübeck geistert einer rum, der trägt volle Montur incl. Mantaletten und Fransenjacke, darüber Kutte mit Emblem ......ich wäre fast ins Straßenbegleitgrün geschossen, als ich den auf 'ner Schwalbe fahren sah.... :up2: :up2:
Gruß
Dj-inno

teddy
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von teddy »

Trabbelju hat geschrieben:Gleichwohl ist die Versicherung des Unfallverursachers der Ansicht, dass der Rollerfahrer weniger Verletzungen erlitten hätte, wenn er eine vollständige Motorrad-Schutzkleidung getragen hätte. Daher trage er eine Mitschuld und könne nicht kompletten Schadensersatz fordern.
Typisch Versicherung, wir wollen soviel wie moeglich an Praemien kassieren und so wenig wie absolut unausweichlich ist ausbezahlen. Und dafuer haben wir die ausgebufftesten und spitzfindigsten Anwaelte in unseren Diensten. Diese versuchen selbstverstaendlich ihr ueppigstes Salaer wieder fuer die Versicherung hereinzubringen und werfen dabei jeglichstes menschliches Gefuehl ueber Bord. Money rules the world.
Ein Lichtblick, dass der Richter schon die Sache wieder auf den eigentlichen Sachverhalt zurueckgefuehrt hat und nicht auf die gefinkelten Winkelzuege hereingefallen ist!
Wenn ein Autofahrer irgendwem Anderen die Vorfahrt nimmt, hat er 100% Schuld und muss demnach auch fuer den Schaden voll und ganz gerade stehen. Punkt und aus.
Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter, wo im Krieg (sprich heutzutage im Verkehr) alle Teilnehmer mit mehr oder weniger geeigneter Panzerung aufeinander losgegangen sind. Die Ritter (Autofahrer heute) voll und ganz in Eisenruestung eingehuellt und damit fast unverwundbar, es sei denn sie trafen auf einen anderen Ritter.
Schaut mal auf die StVO in den Niederlanden, wie die solcherart Unfaelle aburteilt.

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jumpyZ787
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von jumpyZ787 »

Ja ok, das mit der lederkutte auf ner schwalbe ist wohl etwas übertrieben- aber die ganz normale motorradkleidung...?
Ein unfall bei uns hat denke ich die gleichen folgen wie mit einer großen maschine.
Da könnte man ja auch sagen, dass ein kilo federn leichter wäre als ein kilo steine.

zumal in dem speziellen Fall wohl auch keine motorradhose geholfen hätte.

klar, dass die versicherungen geld sparen bzw den profit erhöhen wollen- schließlich gilt es, Aktionäre zufrieden zu stellen.
umso besser, dass ein Richter recht walten lässt.
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dj-inno
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von dj-inno »

[quote="jumpyZ787
klar, dass die versicherungen geld sparen bzw den profit erhöhen wollen- schließlich gilt es, Aktionäre zufrieden zu stellen.
.[/quote]

Oh, ich liebe diese Sätze..... :stirn:

Es gibt eine grundsätzliche rechtliche Auslegung, die besagt, dass jeder, der am Straßenverkehr teilnimmt, auch eine
Gefährdung in Kauf nimmt.
Es ist seine verdammte Pflicht, im eigenen Interesse dafür zu sorgen, daß sein Leib und Leben (und das der Anderen) geringstmöglich geschädigt werden.Wenn es Schutzmöglichkeiten gibt, und er sie nicht nutzt, dann ist er ein Zusatzrisiko eingegangen, sprich es könnte ihm unterstellt werden, dass er eine stärkere Verletzung billigend in Kauf nimmt, weil ihm der Schutz zu warm, zu eng oder zu uncool erschien...
Gruß
dj-inno

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velociped
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von velociped »

Ahja, die automobile Umkehrung der Verantwortlichkeit = selbst Schuld wg der Verletzungen, hättest ja besser vorsorgen können.
Bild

sigiserrfeld
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von sigiserrfeld »

Es ist seine verdammte Pflicht, im eigenen Interesse dafür zu sorgen, daß sein Leib und Leben (und das der Anderen) geringstmöglich geschädigt werden.Wenn es Schutzmöglichkeiten gibt, und er sie nicht nutzt, dann ist er ein Zusatzrisiko eingegangen, sprich es könnte ihm unterstellt werden, dass er eine stärkere Verletzung billigend in Kauf nimmt, weil ihm der Schutz zu warm, zu eng oder zu uncool erschien...
Gruß
dj-inno


Ja klar, deswegen darf er überhaupt kein Moped benutzen, sondern nur einen Daimler oder Volvo!!! :shock: :shock:
Und auch dann, wenn ihm solche Kutschen uncool erscheinen. :up2:

Gruß Sigi
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teddy
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von teddy »

dj-inno hat geschrieben:Es gibt eine grundsätzliche rechtliche Auslegung, die besagt, dass jeder, der am Straßenverkehr teilnimmt, auch eine Gefährdung in Kauf nimmt.
Es ist seine verdammte Pflicht, im eigenen Interesse dafür zu sorgen, daß sein Leib und Leben (und das der Anderen) geringstmöglich geschädigt werden ...usw
Bei welcher Versicherung bist du in der Rechtsschadens-Abweisungsabteilung beschaeftigt?
Bei der moechte ich gerne meine Haftpflicht abschliessen, kommt mir sicherlich wesentlichst billiger als meine heutige. Sie zahlt ja nur Bruchteile des entstandenen Schadens an die Gegenpartei, also waere die Praemie dementsprechend niedriger anzusetzen, oder?
Ach, ich kenne da von etwas frueher einen gewissen Be..ie aus dem Forum, mir kommt ploetzlich der "Phoenix aus der Asche" in den Sinn. Wieso denn das nur???

Hasi79
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von Hasi79 »

Mit Schutzbekleidung hätte er sich nicht die Beine gebrochen?
Ja ne is klar wir reden doch nicht über Schürfwunden. :?:

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Trabbelju
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von Trabbelju »

teddy hat geschrieben:Bei der moechte ich gerne meine Haftpflicht abschliessen, kommt mir sicherlich wesentlichst billiger als meine heutige. Sie zahlt ja nur Bruchteile des entstandenen Schadens an die Gegenpartei, also waere die Praemie dementsprechend niedriger anzusetzen, oder?
Schön wäre das.
Ich habe nach einem Haftpflichtschaden zweimal gegen die VHV klagen müssen, weil die einfach nicht regulieren wollten.
Ich habe zweimal gewonnen, die VHV hat dann auch noch sämtliche Gerichtskosten zusätzlich gefressen.
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dj-inno
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von dj-inno »

Junge ,Junge,
bei einigen Antworten in diesem Thread sträubt sich mir das Nackengefieder.
Da hat ein Gericht geurteilt, dass Rollerfahrer nicht zur vollen Montur vergattert werden können, und plötzlich mutieren Inno und Wave zurück zum Roller????, Ich glaub' es hackt!!
Es gibt ein paar designmäßige Überschneidungen , gut, aber 100 km/h sind ja nun doch eine deuliche Abweichung von dem im Urteil gemeinten Zwieback-Sägen mit 49 ccm und 45 km/h (denn das sind die, die so schnell sind wie Radsportler.....)
Einerseits gibt es Leute,die mit der Inno unsinnigerweise auf die Autobahn wollen, andererseits verkriechen sie sich aber unter der warmen Decke der 'umgangssprachlichen' Rollerfahrer.
Die einzig relevate Antwort ist für mich die unbestechliche Physik.Masse und Beschleunigung (Geschwindigkeit) entscheiden über die Stärke der Aufprallenergie, daran gibt es nix zu drehen.Schäden mit schnelleren Fahrzeugen sind bei gleicher Masse also deutlich größer ,schwerer.Wer das ignoriert lebt gefährlich.
Nebenbei bemerkt ist es sowieso völlig gleichgültig, welchen Prozentanteil eines Schadens eine Versicherung deckt, nur Sachschäden lassen sich monetär auffangen. Was ist aber mit Schmerzen über lange Zeiträume, Veränderungen im Berufsleben,
und andere nicht zu entschädigende Folgen??
Sollte da nicht jeder für sich erkennen, dass ein besserer Körperschutz durchaus sinnvoll ist??
Gruß
dj-inno

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thrifter
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von thrifter »

Ich zitiere mal eben aus dem ersten Beitrag:
Motorroller (125 cm³ Hubraum, 90 km/h Höchstgeschwindigkeit)
Darum hat es sich gehandelt; also um ein Fahrzeug, das exakt auf Inno- und Wavelevel steht.

Über 45 km/h Roller hat keiner geredet.

Im übrigen bin ich auf der Inno schon mehrfach von Rennradlern nahe der 100 km/h Grenze überholt worden...

Gruß

Reinhard

dj-inno
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von dj-inno »

Richtig erkannt...die Einleitung und die Unfallschilderung stehen in Verbindung mit 'unserer' Hubraumgröße.
Das unter zitierte Urteil vereinfacht sehr stark auf Rollerfahrer (ohne ccm und vmax), allerdings mit dem Vergleich zum Radsportler und seinen Geschwindigkeiten.
Kein Radsportler schafft in der Ebene Tempi über 60 km/h zu halten, mein Schwager, der Radrennen fährt , war einmal stolz wie ein Schneekönig, weil er bei einer Radveranstaltung auf dem Nürburgring bergab mit 92 km/h gemessen wurde.
Soweit läßt sich der Bezug dann nicht vereinfachen.
Gruß
dj-inno

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Pille
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Re: Protektorenpflicht für Leichtkraftradfahrer unzumutbar

Beitrag von Pille »

Hä?

Und wer "unsinnigerweise" auf die Autobahn will, das musst du jedem selbst überlassen. LKWs fahren ja schließlich auch mit entsprechenden "unsinnigen" Geschwindigkeiten.

Zwischenfrage:

Berti?

:popcorn gross:
Das Geheimnis des Könnens liegt im Wollen.

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