NORTON hat geschrieben:Aber ich möchte keine diesbezüglichen Vorschriften gelangweilter Apparatschiks aus Brüssel!
Während jeder Traktorensitz von Brüssel genau genormt wird, gibt es in der zentralen Frage von Steuersätzen und -bemessungsgrundlagen keinerlei Harmonisierung. Jedes der 27 Mitgliedsländer kann sich unbehelligt sein eigenes Steuersüppchen kochen. Jede auch noch so kleine Vereinheitlichung bedarf hingegen der Zustimmung aller Staaten.
Fast wie eine verzweifelte Ersatzhandlung wirkt es, dass sich Deutschland und Europa im Kampf gegen Steuerhinterzieher bislang auf die Nicht-EU-Mitgliedstaaten Schweiz und Liechtenstein fokussieren.
Kritik an Zypern, das gegenwärtig den EU-Ratsvorsitz innehat, wird nur hinter vorgehaltener Hand geübt. Fast peinlich war es der Bundesregierung, als vor einigen Tagen ein Dossier des Bundesnachrichtendienstes in die Öffentlichkeit gelangte, demzufolge die Insel im östlichen Mittelmeer vor allem Geld von russischen Oligarchen und zwielichtigen Levantinern anzieht.
Weiter westlich im Mittelmeer bleibt Malta mit seinen Tricks weitgehend unbehelligt. Mit einem offiziellen Steuersatz in Höhe von 35 Prozent ist Malta auf den ersten Blick gar kein günstiger Standort für Unternehmen. Doch dank Rückerstattungen an die Aktionäre bleiben unterm Strich nur fünf Prozent Steuerlast. Die EU-Kommission hat offenbar nichts gegen das exotische System einzuwenden.
Auf der Insel, die kleiner als Bremen ist, unterhalten deutsche Unternehmen wie BASF, BMW, Fraport, Puma und die Deutsche Bank Tochtergesellschaften.
Allerdings scheinen sie davon selbst peinlich berührt zu sein. Auf ihren Firmen-Web- Sites lassen die Konzerne ihre maltesischen Töchter gern außen vor. Beim Flughafenbetreiber Fraport hieß es etwa bis zur vorigen Woche: „Hier finden Sie alle unsere Töchter & Beteiligungen und deren Leistungsspektrum im Überblick“; doch die Fraport Malta Ltd. suchte man vergebens.
Milde geht die EU auch mit Irland um. Die Grüne Insel sticht andere Länder mit ihrem niedrigen Steuersatz von 12,5 Prozent aus. Zahlreiche Chemiekonzerne haben deshalb dort Produktions- und Forschungsstätten gegründet.
Konzerne wie Apple, Google, Microsoft oder Oracle machen es sich einfacher und richteten lediglich kleine Dependancen ein, die dort ihre Lizenzen verwalten.
„Mit hohen Lizenzgebühren können die Konzerne ihre milliardenschweren Gewinne im restlichen Europa abfischen“, erklärt der Wiesbadener Wirtschaftsprofessor Lorenz Jarass.
Von der fiskalischen Zerrissenheit der Unionsländer profitieren neben reichen Bürgern vor allem multinationale Unternehmen. Solche, „die es sich leisten können, mit viel Aufwand die gesetzlichen Besonderheiten in den einzelnen Ländern auszuschöpfen“, sagt Sven Oberle vom Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte.
„Leidtragende sind vor allem Mittelständler, die ihre Strukturen nicht nach steuerlichen, sondern nach ökonomischen Kriterien ausrichten.“ Gerade Mittelständler trügen die Kosten, so Oberle, wenn der Fiskus mit Zinsschranken oder scharfen Verrechnungspreisvorschriften reagiert.
Steueraggressive Konzerne stellen dagegen nur neue Berater ein – und bringen ihre Schäfchen weiter ins Trockene.