Ich schreib das mal unter Technik Wave, weil das beim Test verwendete Fahrzeug eine Wave 110i war.
Gilt aber grundsätzlich genauso für Inno, Sucu und eigentlich alles mit Scheibenbremse vorn.
Ich wollte schon immer mal einen Grenztest mit der vorderen Scheibe machen. Erstens, um zu wissen, wo die Grenzen überhaupt liegen.
Zweitens, um den Einfluß des Wassergehaltes bei alter Bremsflüssigkeit zu "erfahren".
Vor kurzem hatte ich alles Notwendige auf einmal zur Verfügung:
-eine ca 60.000 km gelaufene Wave 110i, Bremsflüssigkeit 6 Jahre alt und noch nie gewechselt
-160 kg Beladung in Form von zwei fetten Mitteleuropäern und etlichem Gepäck
-eine Super-Teststrecke: knapp 1000 Höhenmeter auf etwas über 10 km Strecke, bei sehr wenig Verkehr und gutem Asphalt
Damit man sich eine bessere Vorstellung von der Steigung machen kann: die Wave ließ sich nur im ersten Gang und weitgehend Vollgas rauffahren.
An zwei Stellen mußte ich kurz umdrehen und nochmal kräftig Anlauf nehmen. Also alles in allem ziemlich grenzwertig.
Oben Aussicht genossen. Jetzt also runter: Motorbremse im ersten und zweiten Gang gut ausgenutzt (ca. 30% der Bremswirkung), den Rest mit der vorderen Scheibe dauergebremst.
Die hintere Bremse einmal kurz angetestet (ja, funktioniert...) und dann tunlichst nicht mehr berührt.
Fahrgeschwindigkeit nicht über 30 km/h; das sollte ein Test sein und kein Selbstmordversuch...
Nach etwa 400 Höhenmetern bei starker Bremsbelastung zeigte sich eine deutliche Abnahme der Bremswirkung, etwa 30% weniger.
Das war dann wohl der Einfluß der heißen Scheibe und Beläge auf den Reibwert der Paarung.
Weitergemacht.
Nach etwa 800 Höhenmetern schlagartiger Ausfall der Bremse. Schlagartig heißt: ohne Vorwarnung, von einer Sekunde auf die andere, Null Bremswirkung und Bremshebel leer bis zum Anschlag durchgezogen.
Wenn Dir das an der falschen Stelle passiert, und Du die hintere Bremse mit ihrer begrenzten Wirkung schon "aufgebraucht" hast: R.I.P.

Jetzt also sofort angehalten.
Bremsscheibe strahlte nicht übermäßig Hitze ab, zischte aber schon beim Draufspucken.
Auch nach 5 Minuten Abkühlung ließ sich der Griff noch leer durchziehen; da waren die Gasblasen sicher schon weg.
Bremse hatte sich wohl also auch etwas normale Luft reingezogen.
Also langsam 30-40 Mal den Griff durchgezogen, wie beim Entlüften. Nach ein, zwei Minuten kam der Druckpunkt langsam zurück.
Nach einer weiteren Viertelstunde war alles wieder gut; also langsam bis nach unten weitergefahren.
Fazit 1: das Wasser in alter Bremsflüssigkeit kocht also wirklich irgendwann. (Ja, ja, weiß ja jeder, aber ich wollte es halt auch mal fühlen...)
Fazit 2: auch mit alter Suppe in der Bremse passiert das erst ziemlich spät. Solch eine Belastung habe ich in 40 Jahren noch keiner Bremse zugemutet.
Fazit 3: Wer wirklich solche Extrem-Bremsaktionen macht (Sport?), sollte an den 5€ für Bremsflüssigkeitswechsel nicht sparen.
Wer schon öfters Prüfstandsphotos mit rotglühenden Bremsscheiben gesehen hat und deswegen seiner Bremse viel Vertrauen entgegenbringt, sollte nochmal kurz darüber nachdenken, daß die Temperatur der Bremsflüssigkeit an den Kolben ja nur mal kurz über 100°C gehen muß, damit der Wassergehalt zum Kochen kommen kann. Was sind 100°C?

So, das war's. Und denkt dran: Ich hab das ausprobiert, damit IHR das NICHT machen müßt...

Gruß
Reinhard
PS: 1ml Wasser (das ist ein Würfel mit 1cm Kantenlänge) ergibt 1,6 LITER Wasserdampf!