ISLAND 2010
Verfasst: Mi 17. Nov 2010, 23:16
Dienstag, der 10. August
Hanstholm, an der dänischen Westküste
Von dieser kleinen Hafenstadt möchte ich heute mit der Fähre nach Island starten.
Gestern habe ich die 830 km aus Dortmund in 11h ziemlich zügig hinter mich gebracht. Nach der langen Planung hatte sich langsam Reisefieber eingestellt, und ich war froh, endlich loszukommen. Abends fand ich eine lauschige Stelle im Birkenwald, nur zwei Kilometer vom Hafen entfernt, und stellte zum ersten Mal auf dieser Reise mein Zelt auf.
Jetzt ist es 8 Uhr morgens, und ich fahre mit der bepackten Inno etwas verloren im Hafen herum und suche das Fährenterminal. Habe mir nämlich nicht die Mühe gemacht, die Fähre vorzubuchen, weil das nach meiner Erfahrung mit dem Motorrad eigentlich nie nötig ist. Man findet immer noch ein Plätzchen zwischen all den Dosen.
So auch dieses Mal. Als ich das Terminal endlich gefunden habe, stellen mir die netten Damen dort auch ohne weiteres mein Ticket aus. Einmal Island und zurück für Reinhard und Inno: 550€ in der billigsten Couchette-Variante; je nach Luxusgrad der Kabine ist nach oben kaum eine Grenze.
Frohlockend stelle ich mich also in die Schlange der Mopedfahrer, in der ich zwischen Herden von Neokühen erstaunlicherweise noch zwei 125er entdecke; ein Mädel aus der Schweiz mit einer uralten CB 125 Zweizylinder, und einen Jungspund aus Deutschland, der eine BW Herkules mal richtig offroad bewegen möchte. Zwischen all den touratechbestachelten Geräten sieht die Inno trotz ihres Reservekanisters auf der Front, der Ortliebtaschen und etlicher Gepäckrollen sehr unscheinbar aus.
Um 10 Uhr schiebt die berühmt / berüchtigte Norröna ihre eindrucksvolle Nase in den Hafen.
Ausladen und Einladen geht erstaunlich schnell, und schon nach etwa zwei Stunden sind die Leinen wieder los. Die Inno ist gut verzurrt im Laderaum und ich nehme das Schiff in Augenschein, von dem ich schon so viel gehört habe und das für die nächsten 50 Stunden mein Zuhause sein wird. Die Couchettes in 9er Kabinen tief unten im Schiffsbauch scheinen etwas Leidensfähigkeit vorauszusetzen; die läßt sich aber problemlos mit einem Sixpack Carlsberg aus dem Duty-Free Shop hervorrufen. Die Nacht geht schnell und ruhig vorbei.
Am nächsten Morgen haben wir einen kurzen Zwischenstop in Torshavn auf den Faröerinseln. Die eindrucksvolle Kulisse der aus dem Meer steil hervorragenden Inseln ist gleich schon atemberaubend. Es wird still an Bord, nur die Digitalkameras klicken künstlich vor sich hin. Ein malerischer Bilderbuchhafen, ein paar Dosen raus, ein paar Dosen rein, und nach zwei Stunden geht es wieder weiter.
Die zweite Nacht ist schon länger. Das Bier ist teuer; die Spannung groß.
Und dann, nach einer Einstimmungsfahrt durch den 19 km langen Fjord von Seydisfjördur, legt die Norröna um 10 Uhr bei strahlendem Sonnenschein in Island an. Draußen warten schwarzbewehrte Zöllnerinnen und picken gezielt einige Opfer zur Kontrolle heraus. Da Frechheit bekanntlich siegt, tuckere ich im betonten Schleichgang ungefragt um das Zollhäuschen herum. Während ich noch auf ärgerliche Rufe warte, haben die Kontrolleure wahrscheinlich schon ein lohnenderes Opfer entdeckt, und ich entkomme ungeschoren auf den festen Boden. So kann ich meine Salamistangen behalten, um deren Besitz ich schon gebangt hatte. Dosenmenschen, die ich später getroffen habe, erzählten mir von mehr als zweistündiger Fahrzeugtotalzerlegung…
Die ersten Kilometer in Island kann ich schlecht beschreiben. Wenn man sich solange auf etwas gefreut hat, überdecken die Glückshormone das nüchterne Denken allemal. Ich schraube mich also Serpentine für Serpentine die steile Paßstraße hoch, die von Seydisfjördur nach Egilsstadir führt, und nehme nur aus den Augenwinkeln das Uralgespann wahr, das zur Fähre hinunterdriftet. Hab nicht mal mitbekommen, ob die noch den originalen Russenmotor drinhatten, oder…
Nachdem ich mich in Egilstadir mit isländischen Kronen vom Bankomaten und Sprit für die Inno versorgt habe, flüchte ich schnell auf eine kleine Nebenpiste, die Hellisheidi, die mir eine schöne Paßhöhe mit Ausicht auf die hinter mir liegende Meeresbucht bietet. Das ist noch Piste light, wo man den Asphalt eigentlich nicht wirklich vermißt. Bis Asbyrgi fahre ich noch, und finde dann den ersten isländischen Campingplatz. Für 950 ISK kriege ich einen schönen Platz mit sauberen Toiletten und Duschen. Abends um 19 Uhr kommt dann auch die Sonne wieder zum Vorschein, die sich zwischenzeitlich rar gemacht hatte, und schaut mir beim Zubereiten der Gourmet-Gulaschsuppe zu.
Am nächsten Morgen will ich eigentlich nur schnell zum Dettifoss-Wasserfall und dann wieder Richtung Norden nach Husavik. Aber es beginnt sich einzuregnen, und die Piste nach Süden ist ziemlich schlecht mit viel Wellblech. Als ich den Wasserfall besichtigt habe, steht mir die Lust nicht nach einem weiteren Schlenker nach Norden. Also nehme ich die immer noch schlechte Piste Richtung Süden; zum Myvatn, dem Mückensee. Nach einigen Kilometern haben die schmerzfreien Isländer schon ein besonderes Bonbon für mich parat: die Piste ist plötzlich frisch mit ca. 30 cm weichem, absolut losem Erdreich zugeschüttet. Das ist praktisch unfahrbar; die Inno sägt im ersten Gang eine kupplungsmordende Spalte hinein, während die Geschwindigkeit etwa auf halbes Fußgängerniveau sinkt. Aber nach knapp einem Kilometer, als mir ob der Motorbelastung bereits der Schweiß auf der Stirn steht, ist der Spuk schon wieder vorbei. Noch unvertraut mit isländischen Straßenverhältnissen, schockt mich das Ganze schon ein bißchen. Wenn das so weitergeht….
Geht es aber nicht. Ich komme ungeschoren wieder auf den Asphalt der Ringstraße und muß nur noch 30 km Richtung Myvatn fahren. Auf dem Weg besichtige ich noch die nahegelegenen Solvatorenfelder, auf denen es malerisch aus dem Boden blubbert und bestialisch nach Schwefel stinkt. Dieser Geruch wird mich durch die Insel begleiten.
Es hat den ganzen Tag geregnet; und ich bin froh, als ich auf einem schönen Campingplatz direkt am See mein Zelt aufbauen kann. Als ich an der nahegelegenen Tanke Sprit bunkere, kommen auch einige GS-bewehrte Italiener an die Zapfsäule. Einer von ihnen legt sich sofort wie selbstverständlich auf die Seite. Ein zweiter kommt hinzu und schafft es noch mit Mühe auf seinen Seitenständer. Aber auch zu zweit schaffen sie es nicht, den überladenen Saurier wieder hochzuwuchten. Lautes italienisches Palaver. Erst zu dritt gelingt es ihnen dann nach einigen Anläufen. Derweil sitze ich eislutschenderweise neben der Inno und genieße ganz großes Actionkino; open-air.
Abends auf dem Campingplatz trifft noch eine weitere Gruppe Endurofahrer ein, die ich schon von der Fähre kenne. Auch bei denen sind, nach knapp 150 km Island, schon die ersten Blessierten mit arg geprellten Beinen dabei. Während ich noch überlege, ob ich mich fürchten oder nur wundern soll; kommt die abendliche Sonne heraus und verwandelt den Campingplatz in eine Traumlandschaft.
Am nächsten Tag zieht es die Gruppe von der Fähre zum Whalewatching nach Husavik. Ich traue dem Wetter noch nicht so recht und beschließe, erstmal eine kleinere Runde um den Myvatn zu drehen. Es werden 90 wunderschöne Kilometer; dann besichtige ich das Krafla-Kraftwerk mit einer beeindruckenden Szenerie, das ich am Vortag wegen des Dauerregens versäumt hatte. Abends geht es dann in die ‚grüne Lagune’, das beste Thermalbad am Myvatn. Es ist ziemlich bizarr, bis zur Brust im brühheißen Wasser zu stehen und dabei 30 km Aussicht auf den See zu genießen. Entspannt und ausgeruht komme ich wieder zum Zeltplatz, als die andere Gruppe nach einem langen Tag im Dauerregen durchgefroren wieder ankommt.
Aber am nächsten Tag lockt mich doch das Extreme. Dazu muß ich anmerken, daß die Pistenverhältnisse im isländischen Hochland eine wirkliche Herausforderung darstellen, an der sich regelmäßig eine große Anzahl Zwei- und Vierradtouristen die Zähne ausschlägt. Im Vorfeld habe ich es mir gar nicht gestattet, von diesem Gebiet allzu exzessiv zu träumen. Wußte ich doch nicht wirklich, wieweit ich mit der kleinen, schwach motorisierten und fahrwerksmäßig sehr begrenzten Inno kommen würde. Um gegenüber den hochgezüchteten Geländefahrzeugen nicht allzu dumm auszusehen, suche ich mir also eine wenig befahrene Piste aus. Auf der Westseite soll es Richtung Süden zum Askja-Massiv gehen.
Zusätzlich zum 5 l Reservekanister und zum 1,5 l Fuelfried stecke ich mir noch eine zweckentfremdete spritgefüllte 2 l Colaflasche in die Ortliebtasche. Insgesamt habe ich also etwa 12 l Sprit an Bord.
So biege ich also bei Gardur vom Asphalt ab und nehme die Piste Richtung Süden.
Die ersten 20 km sind ein besserer Feldweg mit Schafgattern und einer ersten Flußdurchfahrt. Hier will ich es besonders gut machen und wate erstmal in Gummistiefeln durch, worauf mir das Wasser oben rein schwappt. Äärggs, innen nasse Stiefel und Socken! Als unbedarftes Weichei schiebe ich die Inno erstmal ohne Motor durch das etwa 30 cm tiefe Wasser.
Danach wird die Piste langsam steiniger und schwieriger, Felsbrocken wechseln sich mit Platten und Versetzungen ab; es rumpelt ziemlich und gibt ordentlich was zu klettern. Die ersten GPS-Punkte, die ich mir anhand der Karte gesetzt hatte, kommen und gehen vorbei. Leider nieselt es die ganze Zeit beständig vor sich hin; zuwenig, um richtig naß zu werden, aber zuviel, um sich übers Wetter zu freuen.
Die Landschaft wird mit der Zeit immer bizarrer. Der Vergleich mit dem Mond ist nicht so abwegig.
Als die Inno langsam immer lauter wird, weiß ich gleich Bescheid. Der zuhause bereits einmal geschweißte Krümmer ist durch die beständige Rappelei wieder gerissen. Ich ignoriere das erstmal; denn ich habe auch genug mit der Strecke zu kämpfen. Auf den letzten 35 Kilometern kriege ich dann die erste wirkliche Tiefsandstrecke meines Lebens um die Ohren gehauen. Aber hier zieht die tapfere Inno ein weiteres As raus: Sie buddelt sich einfach nicht ein und läßt sich relativ leicht auf Kurs halten. Das Ganze fährt sich ungefähr so wie mit platten Reifen; aber es geht erstaunlich zügig vorwärts.

Nach der endlos erscheinenden Sandwüste tickert das GPS dann die letzten Kilometer zum Tagesziel Drekadil ab. Auf dem stürmischen Hochplateau sehe ich bereits einige bunte Punkte. Ich baue auch ganz schnell das Zelt auf. Ich bin da! An der Askja! Mit der Innova! Ein Landrover-Fahrer, der dieselbe Strecke gekommen ist, hat noch wesentlich länger gebraucht als ich und zeigt mir seine ramponierten Reifen. Erst da wird mir richtig klar, was mein kleines Gerät heute alles geleistet hat. Chapeau, Inno!
Am nächsten Morgen krabbele ich nach einer windigen Nacht aus dem Zelt und mache erstmal Frühstück. Der Colemankocher zickt mächtig rum und verrußt mir den ganzen Teekessel. Während ich noch über die amerikanische Scheiße fluche, nehme ich das Askja Plateau näher in Augenschein. Es haben sich 10 mehr oder weniger geländegängige Dosen und 5-6 Motorräder eingefunden, die aber alle über die schnelle Piste östlich des Massivs gekommen sind.
Dann geht es zu Fuß los. Etwa 4 km muß ich vom Parkplatz durch eine topfebene Lavasandwüste laufen. Es ist still; kein Wind, nur leichter Regen. Meine Schritte knirschen im schwarzen Sand. Noch ein paar Schritte, dann öffnet sich die Sicht auf den türkisblauen Vitisee im Vordergrund und den größeren, dunkelblauen Öskjuvatn dahinter.

Das erhoffte Bad im warmen Wasser des Viti fällt aber aus, denn die Wände des Kratersees sind vom nächtlichen Regen so aufgeweicht und glitschig, daß an einem Abstieg zum Wasserspiegel nicht zu denken ist.
Nachmittags bin ich zurück im Camp und beschließe in meiner Hochstimmung, mich auf den Weg nach Süden zu machen, um das Hochland ganz zu durchqueren. Vorher baue ich aber den inzwischen ganz abgerissenen Auspuff ab und verstaue ihn in einem Beutel auf der Sitzbank. Bei mäßigen Drehzahlen ist das Geräuschniveau nicht zu hoch und außerdem: Hier ist niemand außer mir…
Zunächst habe ich mir eine Strecke direkt am Fuß des Vatnajökull entlang ausgeguckt. Aber nach 30 km Tiefsandpiste stehen mehrere Schilder, die genau vor dieser Piste warnen. Unpassierbar wegen Hochwasser; sagen die isländischen Ranger.

Nun will ich mir nicht nachsagen lassen, gegen gute Ratschläge immun zu sein, und biege deshalb Richtung Osten ab, um auf der Piste F910 weiterzufahren.

Hier kommen jetzt auch die ersten richtigen Wasserdurchfahrten. Mit jedem Mal werde ich ein bißchen wagemutiger und es spritzt immer höher. Nach 94 harten Offroadkilometern erreiche ich abends mein Tagesziel; eine in meiner Karte eingezeichnete Furt. Hier ist glücklicherweise eine neue Brücke; denn das Wasser ist ungefähr WW 3 und für Motorfahrzeuge absolut unfahrbar.
Am nächsten Morgen komme ich wegen Faulheit erst gegen 9:30 Uhr los. Nach etwa 10 km komme ich an eine sehr eindrucksvolle Furt; schnell und tief.

Ich wate erstmal in Tewas durch und kann mich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Aber es muß gehen; ich will schließlich nicht zwei Tage zurückfahren.
Vorsichtig bin ich immer noch, und versuche deshalb, die Inno ohne Motor durch zuschieben, damit sie sich kein Wasser ansaugen kann. Das Wasser rauscht über den Durchstieg und die Strömung dreht mich flußabwärts, obwohl ich mit aller Kraft schiebe. Dann kommt mir von der anderen Seite ein Isländer zu Hilfe. Gemeinsam zerren wir die Inno aufs Trockene. Puh, noch mal gutgegangen!
Dann drücke ich gespannt aufs Knöpfchen. Die Inno hustet einen Liter Wasser aus dem abgerissenen Krümmerendstück und bräht dann munter los; ganz so als ob Tauchen ihr Lieblingssport wäre. Ich bin durch die zwei Minuten im oberschenkeltiefen Schmelzwasser arg ausgekühlt. Als ich gerade wieder warm bin, kommt die nächste Furt. Auf eine neue Schiebeaktion habe ich absolut keine Lust; also Vollgas durch. Wieder läuft das Wasser über den Durchstieg; aber der Motor läuft auch total untergetaucht unbeirrt weiter und zieht mich ans andere Ufer. Brave Inno!
So geht es noch einige Stunden weiter, bis ich dann auf die Hauptpiste F26, die Sprengisandur, komme. Die ist vom vielen Verkehr total kaputtgefahren. Wellblech übelster Sorte. So ab 60 km/h fliegt die Inno übers Wellblech; aber das Tempo traue ich mich in normaler Hose und Jethelm nur kurz. Ein kleiner Fehler; und der Urlaub wäre zu Ende. Also hoppele ich meistens so mit 30 km/h übers Wellblech und werde massiv durchgerüttelt.
Aber irgendwann hat ist auch das vorbei. Ich erreiche den südlichen Asphalt. Die Hochlanddurchquerung auf der Inno ist geglückt! Ich mache eine Pause und erlaube mir ein bißchen stolz auf mich und das Moped zu sein.
Mein nächstes Ziel ist die das Naturschutzgebiet rund um Landmannalaugar.

Auf dem Weg dorthin bunkere ich erneut Sprit und gönne mir einen Zivilisationsburger. Die Inno hat für die Hochlandstrecke nur etwa 8 l verbraucht; weit weniger, als ich befürchtet hatte. Die Colaflasche wandert also in den Mülleimer. Ein BMW-Fahrer, den ich später traf, hat mit seiner alten 2V-GS auf derselben Strecke fast 40l verbraucht. Dafür mußte er zwischendurch zweimal bei Entgegenkommenden um Sprit betteln, sich von isländischen Rangern mit dem Jeep durch eine Furt lotsen lassen, und außerdem eine kalte Nacht ohne Schlafsack und Zelt im Windschutz eines Felsbrockens verbringen, weil er aus Gewichtsgründen sein Gepäck zurückgelassen hatte….
Die spektakuläre Landschaft von Landmannalaugar beeindruckt mich sehr, und ich bleibe noch einen Extratag dort, um die Gegend zu Fuß zu erkunden. Abends liege ich bis zum Hals im heißen Wasser des kleinen Flüßchens, das hinter dem Campingplatz fließt, und schaue den Wolken zu, die mit den Sternen Haschmich spielen. Ein perfekter Platz, die Seele baumeln zu lassen.
Am nächsten Tag sage ich diesem traumhaften Ort Lebewohl und ziehe langsam Richtung Osten weiter. Ich will auf die Ringstraße zurück, um mich langsam wieder Richtung Fähre zu orientieren. Zunächst wartet aber noch eine schöne Strecke mit unzähligen Flußdurchfahrten und Wasserfällen auf mich.

Abends komme ich dann wieder auf den Asphalt an der Küste. Hier ist es deutlich kälter und windiger, und die letzten mitgenommenen Wäscheteile kommen zum Einsatz. Die Ausläufer des Vatnajökulls ziehen sich als Gletscherzungen bis zum Meer hinunter, und auf einigen Seen schwimmen kleine Eisberge.

Am nächsten Tag kämpfe ich fast 200 km gegen einen Wahnsinnswind an, der mich zwingt, im dritten Gang mit Vollgas zu fahren. Die Inno gurgelt ihren Tankinhalt in 100 km durch. Beim Nachfüllen des Tanks muß ich sie auf den Hauptständer stellen, weil der Wind sie einfach über den Seitenständer umkippen möchte. Weiter geht die Fahrt.
Der Wind pfeift und rauscht mörderlich im meinem Jethelm, und bei höheren Drehzahlen ist der kleine Motor ohne Schalldämpfer auch ganz schön laut. So überhöre ich wahrscheinlich die ersten Anzeichen, daß sich unter mir ein Problem anbahnt. Die Inno wird immer langsamer; der Tank leert sich immer schneller. Nach dem nächsten Nachfüllen will sie nicht mehr sofort anspringen und ich muß sie ankicken.
Oh, das hört sich aber nicht gut an. Es rasselt, es schabt, es klappert. Die gute Laune ist schlagartig weg. Ein paar Kilometer kämpft sich der waidwunde Motor noch gegen den Wind an, dann ist Schluß und nichts bewegt sich mehr.
Hmmm, muß das jetzt wirklich sein? Nur 87 km zum Fährenhafen, sagt das GPS. Das ist ganz entschieden zu weit zum Schieben. Ich stehe dumm im Niemandsland auf einer Bergkuppe herum. In beiden Richtungen ist kein Zeichen menschlicher Besiedelung zu sehen, soweit das Auge reicht. Erst einmal lasse ich die Inno am Straßenrand stehen und versuche, Richtung Osten zu laufen; aber nach 6 km gebe ich auf. Immer noch nichts zu sehen, das hat keinen Zweck. Also zurück zum Moped. Von der Bergspitze versuche ich ohne große Hoffnung mein Handy zu aktivieren. Juhu, es gibt ein Netz, schwach aber deutlich. Vom ADAC München erfrage ich eine passende Hilfenummer in Island und gebe meine GPS Koordinaten an. Man verspricht mir, am nächsten Morgen jemand vorbeizuschicken.
Also baue ich erstmal an der Küste mein Zelt auf und brate mir ein paar Spiegeleier gegen den Frust. Die Nacht wird mächtig stürmisch, und ich bin dankbar für jeden Euro, den ich in mein gutes Hilleberg-Zelt versenkt habe.
Am nächsten Mittag, als ich schon fast wieder nervös werde, kommt ein gemütlicher älterer Herr mit PKW und einem kleinen Anhänger an. Er ist sichtlich erleichtert, daß es sich nicht um ein 300kg Dickschiff handelt, das auf seinen Hänger muß. Wir tüddeln die Inno fest und starten Richtung Fährenhafen. Die GPS Anzeige täuscht hier sehr; fast 200 km zieht sich die malerische Strecke noch an etlichen Fjorden entlang und durch kleine Ortschaften. Sogar durch die Autoscheibe ist diese Strecke schön, und ich merke sie mir für das nächste Mal vor.
In Seydisfjördur angekommen, stellen wir die Inno direkt am Fährenterminal ab.
:away.
Ich schlinge mir die Ortliebtaschen über die Schulter und mache mich auf die Suche nach dem städtischen Campingplatz, den ich schließlich kaum 500 m entfernt entdecke.
Nun bin ich also zwei Tage eher als geplant am Ende meiner Reise angekommen und verbringe den Rest der Zeit ausgedehnten Wanderungen am Fjord entlang und mit einer schönen Tour in einem geliehenen Seekajak.

Dann gleitet die Norröna wieder majestätisch in den Fjord und öffnet ihren Bauch. Eine letzte Kraftanstrengung; die vollbepackte Kleine die steile Rampe ins dritte Deck hochzuwuchten.
Dann habe ich zwei Tage Zeit, mit den inzwischen bekannten Gesichtern unter den anderen Reisenden Geschichten und Fotos auszutauschen. Mit den meisten bin ich mir einig: das war nicht die letzte Fahrt auf diese faszinierende Insel.
Reinhard Hötger
Hanstholm, an der dänischen Westküste
Von dieser kleinen Hafenstadt möchte ich heute mit der Fähre nach Island starten.
Gestern habe ich die 830 km aus Dortmund in 11h ziemlich zügig hinter mich gebracht. Nach der langen Planung hatte sich langsam Reisefieber eingestellt, und ich war froh, endlich loszukommen. Abends fand ich eine lauschige Stelle im Birkenwald, nur zwei Kilometer vom Hafen entfernt, und stellte zum ersten Mal auf dieser Reise mein Zelt auf.
Jetzt ist es 8 Uhr morgens, und ich fahre mit der bepackten Inno etwas verloren im Hafen herum und suche das Fährenterminal. Habe mir nämlich nicht die Mühe gemacht, die Fähre vorzubuchen, weil das nach meiner Erfahrung mit dem Motorrad eigentlich nie nötig ist. Man findet immer noch ein Plätzchen zwischen all den Dosen.
So auch dieses Mal. Als ich das Terminal endlich gefunden habe, stellen mir die netten Damen dort auch ohne weiteres mein Ticket aus. Einmal Island und zurück für Reinhard und Inno: 550€ in der billigsten Couchette-Variante; je nach Luxusgrad der Kabine ist nach oben kaum eine Grenze.
Frohlockend stelle ich mich also in die Schlange der Mopedfahrer, in der ich zwischen Herden von Neokühen erstaunlicherweise noch zwei 125er entdecke; ein Mädel aus der Schweiz mit einer uralten CB 125 Zweizylinder, und einen Jungspund aus Deutschland, der eine BW Herkules mal richtig offroad bewegen möchte. Zwischen all den touratechbestachelten Geräten sieht die Inno trotz ihres Reservekanisters auf der Front, der Ortliebtaschen und etlicher Gepäckrollen sehr unscheinbar aus.
Um 10 Uhr schiebt die berühmt / berüchtigte Norröna ihre eindrucksvolle Nase in den Hafen.
Ausladen und Einladen geht erstaunlich schnell, und schon nach etwa zwei Stunden sind die Leinen wieder los. Die Inno ist gut verzurrt im Laderaum und ich nehme das Schiff in Augenschein, von dem ich schon so viel gehört habe und das für die nächsten 50 Stunden mein Zuhause sein wird. Die Couchettes in 9er Kabinen tief unten im Schiffsbauch scheinen etwas Leidensfähigkeit vorauszusetzen; die läßt sich aber problemlos mit einem Sixpack Carlsberg aus dem Duty-Free Shop hervorrufen. Die Nacht geht schnell und ruhig vorbei.
Am nächsten Morgen haben wir einen kurzen Zwischenstop in Torshavn auf den Faröerinseln. Die eindrucksvolle Kulisse der aus dem Meer steil hervorragenden Inseln ist gleich schon atemberaubend. Es wird still an Bord, nur die Digitalkameras klicken künstlich vor sich hin. Ein malerischer Bilderbuchhafen, ein paar Dosen raus, ein paar Dosen rein, und nach zwei Stunden geht es wieder weiter.
Die zweite Nacht ist schon länger. Das Bier ist teuer; die Spannung groß.
Und dann, nach einer Einstimmungsfahrt durch den 19 km langen Fjord von Seydisfjördur, legt die Norröna um 10 Uhr bei strahlendem Sonnenschein in Island an. Draußen warten schwarzbewehrte Zöllnerinnen und picken gezielt einige Opfer zur Kontrolle heraus. Da Frechheit bekanntlich siegt, tuckere ich im betonten Schleichgang ungefragt um das Zollhäuschen herum. Während ich noch auf ärgerliche Rufe warte, haben die Kontrolleure wahrscheinlich schon ein lohnenderes Opfer entdeckt, und ich entkomme ungeschoren auf den festen Boden. So kann ich meine Salamistangen behalten, um deren Besitz ich schon gebangt hatte. Dosenmenschen, die ich später getroffen habe, erzählten mir von mehr als zweistündiger Fahrzeugtotalzerlegung…
Die ersten Kilometer in Island kann ich schlecht beschreiben. Wenn man sich solange auf etwas gefreut hat, überdecken die Glückshormone das nüchterne Denken allemal. Ich schraube mich also Serpentine für Serpentine die steile Paßstraße hoch, die von Seydisfjördur nach Egilsstadir führt, und nehme nur aus den Augenwinkeln das Uralgespann wahr, das zur Fähre hinunterdriftet. Hab nicht mal mitbekommen, ob die noch den originalen Russenmotor drinhatten, oder…
Nachdem ich mich in Egilstadir mit isländischen Kronen vom Bankomaten und Sprit für die Inno versorgt habe, flüchte ich schnell auf eine kleine Nebenpiste, die Hellisheidi, die mir eine schöne Paßhöhe mit Ausicht auf die hinter mir liegende Meeresbucht bietet. Das ist noch Piste light, wo man den Asphalt eigentlich nicht wirklich vermißt. Bis Asbyrgi fahre ich noch, und finde dann den ersten isländischen Campingplatz. Für 950 ISK kriege ich einen schönen Platz mit sauberen Toiletten und Duschen. Abends um 19 Uhr kommt dann auch die Sonne wieder zum Vorschein, die sich zwischenzeitlich rar gemacht hatte, und schaut mir beim Zubereiten der Gourmet-Gulaschsuppe zu.
Am nächsten Morgen will ich eigentlich nur schnell zum Dettifoss-Wasserfall und dann wieder Richtung Norden nach Husavik. Aber es beginnt sich einzuregnen, und die Piste nach Süden ist ziemlich schlecht mit viel Wellblech. Als ich den Wasserfall besichtigt habe, steht mir die Lust nicht nach einem weiteren Schlenker nach Norden. Also nehme ich die immer noch schlechte Piste Richtung Süden; zum Myvatn, dem Mückensee. Nach einigen Kilometern haben die schmerzfreien Isländer schon ein besonderes Bonbon für mich parat: die Piste ist plötzlich frisch mit ca. 30 cm weichem, absolut losem Erdreich zugeschüttet. Das ist praktisch unfahrbar; die Inno sägt im ersten Gang eine kupplungsmordende Spalte hinein, während die Geschwindigkeit etwa auf halbes Fußgängerniveau sinkt. Aber nach knapp einem Kilometer, als mir ob der Motorbelastung bereits der Schweiß auf der Stirn steht, ist der Spuk schon wieder vorbei. Noch unvertraut mit isländischen Straßenverhältnissen, schockt mich das Ganze schon ein bißchen. Wenn das so weitergeht….
Geht es aber nicht. Ich komme ungeschoren wieder auf den Asphalt der Ringstraße und muß nur noch 30 km Richtung Myvatn fahren. Auf dem Weg besichtige ich noch die nahegelegenen Solvatorenfelder, auf denen es malerisch aus dem Boden blubbert und bestialisch nach Schwefel stinkt. Dieser Geruch wird mich durch die Insel begleiten.
Es hat den ganzen Tag geregnet; und ich bin froh, als ich auf einem schönen Campingplatz direkt am See mein Zelt aufbauen kann. Als ich an der nahegelegenen Tanke Sprit bunkere, kommen auch einige GS-bewehrte Italiener an die Zapfsäule. Einer von ihnen legt sich sofort wie selbstverständlich auf die Seite. Ein zweiter kommt hinzu und schafft es noch mit Mühe auf seinen Seitenständer. Aber auch zu zweit schaffen sie es nicht, den überladenen Saurier wieder hochzuwuchten. Lautes italienisches Palaver. Erst zu dritt gelingt es ihnen dann nach einigen Anläufen. Derweil sitze ich eislutschenderweise neben der Inno und genieße ganz großes Actionkino; open-air.
Abends auf dem Campingplatz trifft noch eine weitere Gruppe Endurofahrer ein, die ich schon von der Fähre kenne. Auch bei denen sind, nach knapp 150 km Island, schon die ersten Blessierten mit arg geprellten Beinen dabei. Während ich noch überlege, ob ich mich fürchten oder nur wundern soll; kommt die abendliche Sonne heraus und verwandelt den Campingplatz in eine Traumlandschaft.

Am nächsten Tag zieht es die Gruppe von der Fähre zum Whalewatching nach Husavik. Ich traue dem Wetter noch nicht so recht und beschließe, erstmal eine kleinere Runde um den Myvatn zu drehen. Es werden 90 wunderschöne Kilometer; dann besichtige ich das Krafla-Kraftwerk mit einer beeindruckenden Szenerie, das ich am Vortag wegen des Dauerregens versäumt hatte. Abends geht es dann in die ‚grüne Lagune’, das beste Thermalbad am Myvatn. Es ist ziemlich bizarr, bis zur Brust im brühheißen Wasser zu stehen und dabei 30 km Aussicht auf den See zu genießen. Entspannt und ausgeruht komme ich wieder zum Zeltplatz, als die andere Gruppe nach einem langen Tag im Dauerregen durchgefroren wieder ankommt.
Aber am nächsten Tag lockt mich doch das Extreme. Dazu muß ich anmerken, daß die Pistenverhältnisse im isländischen Hochland eine wirkliche Herausforderung darstellen, an der sich regelmäßig eine große Anzahl Zwei- und Vierradtouristen die Zähne ausschlägt. Im Vorfeld habe ich es mir gar nicht gestattet, von diesem Gebiet allzu exzessiv zu träumen. Wußte ich doch nicht wirklich, wieweit ich mit der kleinen, schwach motorisierten und fahrwerksmäßig sehr begrenzten Inno kommen würde. Um gegenüber den hochgezüchteten Geländefahrzeugen nicht allzu dumm auszusehen, suche ich mir also eine wenig befahrene Piste aus. Auf der Westseite soll es Richtung Süden zum Askja-Massiv gehen.
Zusätzlich zum 5 l Reservekanister und zum 1,5 l Fuelfried stecke ich mir noch eine zweckentfremdete spritgefüllte 2 l Colaflasche in die Ortliebtasche. Insgesamt habe ich also etwa 12 l Sprit an Bord.
So biege ich also bei Gardur vom Asphalt ab und nehme die Piste Richtung Süden.

Die ersten 20 km sind ein besserer Feldweg mit Schafgattern und einer ersten Flußdurchfahrt. Hier will ich es besonders gut machen und wate erstmal in Gummistiefeln durch, worauf mir das Wasser oben rein schwappt. Äärggs, innen nasse Stiefel und Socken! Als unbedarftes Weichei schiebe ich die Inno erstmal ohne Motor durch das etwa 30 cm tiefe Wasser.
Danach wird die Piste langsam steiniger und schwieriger, Felsbrocken wechseln sich mit Platten und Versetzungen ab; es rumpelt ziemlich und gibt ordentlich was zu klettern. Die ersten GPS-Punkte, die ich mir anhand der Karte gesetzt hatte, kommen und gehen vorbei. Leider nieselt es die ganze Zeit beständig vor sich hin; zuwenig, um richtig naß zu werden, aber zuviel, um sich übers Wetter zu freuen.
Die Landschaft wird mit der Zeit immer bizarrer. Der Vergleich mit dem Mond ist nicht so abwegig.

Als die Inno langsam immer lauter wird, weiß ich gleich Bescheid. Der zuhause bereits einmal geschweißte Krümmer ist durch die beständige Rappelei wieder gerissen. Ich ignoriere das erstmal; denn ich habe auch genug mit der Strecke zu kämpfen. Auf den letzten 35 Kilometern kriege ich dann die erste wirkliche Tiefsandstrecke meines Lebens um die Ohren gehauen. Aber hier zieht die tapfere Inno ein weiteres As raus: Sie buddelt sich einfach nicht ein und läßt sich relativ leicht auf Kurs halten. Das Ganze fährt sich ungefähr so wie mit platten Reifen; aber es geht erstaunlich zügig vorwärts.

Nach der endlos erscheinenden Sandwüste tickert das GPS dann die letzten Kilometer zum Tagesziel Drekadil ab. Auf dem stürmischen Hochplateau sehe ich bereits einige bunte Punkte. Ich baue auch ganz schnell das Zelt auf. Ich bin da! An der Askja! Mit der Innova! Ein Landrover-Fahrer, der dieselbe Strecke gekommen ist, hat noch wesentlich länger gebraucht als ich und zeigt mir seine ramponierten Reifen. Erst da wird mir richtig klar, was mein kleines Gerät heute alles geleistet hat. Chapeau, Inno!
Am nächsten Morgen krabbele ich nach einer windigen Nacht aus dem Zelt und mache erstmal Frühstück. Der Colemankocher zickt mächtig rum und verrußt mir den ganzen Teekessel. Während ich noch über die amerikanische Scheiße fluche, nehme ich das Askja Plateau näher in Augenschein. Es haben sich 10 mehr oder weniger geländegängige Dosen und 5-6 Motorräder eingefunden, die aber alle über die schnelle Piste östlich des Massivs gekommen sind.
Dann geht es zu Fuß los. Etwa 4 km muß ich vom Parkplatz durch eine topfebene Lavasandwüste laufen. Es ist still; kein Wind, nur leichter Regen. Meine Schritte knirschen im schwarzen Sand. Noch ein paar Schritte, dann öffnet sich die Sicht auf den türkisblauen Vitisee im Vordergrund und den größeren, dunkelblauen Öskjuvatn dahinter.

Das erhoffte Bad im warmen Wasser des Viti fällt aber aus, denn die Wände des Kratersees sind vom nächtlichen Regen so aufgeweicht und glitschig, daß an einem Abstieg zum Wasserspiegel nicht zu denken ist.
Nachmittags bin ich zurück im Camp und beschließe in meiner Hochstimmung, mich auf den Weg nach Süden zu machen, um das Hochland ganz zu durchqueren. Vorher baue ich aber den inzwischen ganz abgerissenen Auspuff ab und verstaue ihn in einem Beutel auf der Sitzbank. Bei mäßigen Drehzahlen ist das Geräuschniveau nicht zu hoch und außerdem: Hier ist niemand außer mir…
Zunächst habe ich mir eine Strecke direkt am Fuß des Vatnajökull entlang ausgeguckt. Aber nach 30 km Tiefsandpiste stehen mehrere Schilder, die genau vor dieser Piste warnen. Unpassierbar wegen Hochwasser; sagen die isländischen Ranger.

Nun will ich mir nicht nachsagen lassen, gegen gute Ratschläge immun zu sein, und biege deshalb Richtung Osten ab, um auf der Piste F910 weiterzufahren.

Hier kommen jetzt auch die ersten richtigen Wasserdurchfahrten. Mit jedem Mal werde ich ein bißchen wagemutiger und es spritzt immer höher. Nach 94 harten Offroadkilometern erreiche ich abends mein Tagesziel; eine in meiner Karte eingezeichnete Furt. Hier ist glücklicherweise eine neue Brücke; denn das Wasser ist ungefähr WW 3 und für Motorfahrzeuge absolut unfahrbar.
Am nächsten Morgen komme ich wegen Faulheit erst gegen 9:30 Uhr los. Nach etwa 10 km komme ich an eine sehr eindrucksvolle Furt; schnell und tief.

Ich wate erstmal in Tewas durch und kann mich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Aber es muß gehen; ich will schließlich nicht zwei Tage zurückfahren.
Vorsichtig bin ich immer noch, und versuche deshalb, die Inno ohne Motor durch zuschieben, damit sie sich kein Wasser ansaugen kann. Das Wasser rauscht über den Durchstieg und die Strömung dreht mich flußabwärts, obwohl ich mit aller Kraft schiebe. Dann kommt mir von der anderen Seite ein Isländer zu Hilfe. Gemeinsam zerren wir die Inno aufs Trockene. Puh, noch mal gutgegangen!
Dann drücke ich gespannt aufs Knöpfchen. Die Inno hustet einen Liter Wasser aus dem abgerissenen Krümmerendstück und bräht dann munter los; ganz so als ob Tauchen ihr Lieblingssport wäre. Ich bin durch die zwei Minuten im oberschenkeltiefen Schmelzwasser arg ausgekühlt. Als ich gerade wieder warm bin, kommt die nächste Furt. Auf eine neue Schiebeaktion habe ich absolut keine Lust; also Vollgas durch. Wieder läuft das Wasser über den Durchstieg; aber der Motor läuft auch total untergetaucht unbeirrt weiter und zieht mich ans andere Ufer. Brave Inno!
So geht es noch einige Stunden weiter, bis ich dann auf die Hauptpiste F26, die Sprengisandur, komme. Die ist vom vielen Verkehr total kaputtgefahren. Wellblech übelster Sorte. So ab 60 km/h fliegt die Inno übers Wellblech; aber das Tempo traue ich mich in normaler Hose und Jethelm nur kurz. Ein kleiner Fehler; und der Urlaub wäre zu Ende. Also hoppele ich meistens so mit 30 km/h übers Wellblech und werde massiv durchgerüttelt.
Aber irgendwann hat ist auch das vorbei. Ich erreiche den südlichen Asphalt. Die Hochlanddurchquerung auf der Inno ist geglückt! Ich mache eine Pause und erlaube mir ein bißchen stolz auf mich und das Moped zu sein.
Mein nächstes Ziel ist die das Naturschutzgebiet rund um Landmannalaugar.

Auf dem Weg dorthin bunkere ich erneut Sprit und gönne mir einen Zivilisationsburger. Die Inno hat für die Hochlandstrecke nur etwa 8 l verbraucht; weit weniger, als ich befürchtet hatte. Die Colaflasche wandert also in den Mülleimer. Ein BMW-Fahrer, den ich später traf, hat mit seiner alten 2V-GS auf derselben Strecke fast 40l verbraucht. Dafür mußte er zwischendurch zweimal bei Entgegenkommenden um Sprit betteln, sich von isländischen Rangern mit dem Jeep durch eine Furt lotsen lassen, und außerdem eine kalte Nacht ohne Schlafsack und Zelt im Windschutz eines Felsbrockens verbringen, weil er aus Gewichtsgründen sein Gepäck zurückgelassen hatte….
Die spektakuläre Landschaft von Landmannalaugar beeindruckt mich sehr, und ich bleibe noch einen Extratag dort, um die Gegend zu Fuß zu erkunden. Abends liege ich bis zum Hals im heißen Wasser des kleinen Flüßchens, das hinter dem Campingplatz fließt, und schaue den Wolken zu, die mit den Sternen Haschmich spielen. Ein perfekter Platz, die Seele baumeln zu lassen.
Am nächsten Tag sage ich diesem traumhaften Ort Lebewohl und ziehe langsam Richtung Osten weiter. Ich will auf die Ringstraße zurück, um mich langsam wieder Richtung Fähre zu orientieren. Zunächst wartet aber noch eine schöne Strecke mit unzähligen Flußdurchfahrten und Wasserfällen auf mich.

Abends komme ich dann wieder auf den Asphalt an der Küste. Hier ist es deutlich kälter und windiger, und die letzten mitgenommenen Wäscheteile kommen zum Einsatz. Die Ausläufer des Vatnajökulls ziehen sich als Gletscherzungen bis zum Meer hinunter, und auf einigen Seen schwimmen kleine Eisberge.

Am nächsten Tag kämpfe ich fast 200 km gegen einen Wahnsinnswind an, der mich zwingt, im dritten Gang mit Vollgas zu fahren. Die Inno gurgelt ihren Tankinhalt in 100 km durch. Beim Nachfüllen des Tanks muß ich sie auf den Hauptständer stellen, weil der Wind sie einfach über den Seitenständer umkippen möchte. Weiter geht die Fahrt.
Der Wind pfeift und rauscht mörderlich im meinem Jethelm, und bei höheren Drehzahlen ist der kleine Motor ohne Schalldämpfer auch ganz schön laut. So überhöre ich wahrscheinlich die ersten Anzeichen, daß sich unter mir ein Problem anbahnt. Die Inno wird immer langsamer; der Tank leert sich immer schneller. Nach dem nächsten Nachfüllen will sie nicht mehr sofort anspringen und ich muß sie ankicken.
Oh, das hört sich aber nicht gut an. Es rasselt, es schabt, es klappert. Die gute Laune ist schlagartig weg. Ein paar Kilometer kämpft sich der waidwunde Motor noch gegen den Wind an, dann ist Schluß und nichts bewegt sich mehr.
Hmmm, muß das jetzt wirklich sein? Nur 87 km zum Fährenhafen, sagt das GPS. Das ist ganz entschieden zu weit zum Schieben. Ich stehe dumm im Niemandsland auf einer Bergkuppe herum. In beiden Richtungen ist kein Zeichen menschlicher Besiedelung zu sehen, soweit das Auge reicht. Erst einmal lasse ich die Inno am Straßenrand stehen und versuche, Richtung Osten zu laufen; aber nach 6 km gebe ich auf. Immer noch nichts zu sehen, das hat keinen Zweck. Also zurück zum Moped. Von der Bergspitze versuche ich ohne große Hoffnung mein Handy zu aktivieren. Juhu, es gibt ein Netz, schwach aber deutlich. Vom ADAC München erfrage ich eine passende Hilfenummer in Island und gebe meine GPS Koordinaten an. Man verspricht mir, am nächsten Morgen jemand vorbeizuschicken.
Also baue ich erstmal an der Küste mein Zelt auf und brate mir ein paar Spiegeleier gegen den Frust. Die Nacht wird mächtig stürmisch, und ich bin dankbar für jeden Euro, den ich in mein gutes Hilleberg-Zelt versenkt habe.
Am nächsten Mittag, als ich schon fast wieder nervös werde, kommt ein gemütlicher älterer Herr mit PKW und einem kleinen Anhänger an. Er ist sichtlich erleichtert, daß es sich nicht um ein 300kg Dickschiff handelt, das auf seinen Hänger muß. Wir tüddeln die Inno fest und starten Richtung Fährenhafen. Die GPS Anzeige täuscht hier sehr; fast 200 km zieht sich die malerische Strecke noch an etlichen Fjorden entlang und durch kleine Ortschaften. Sogar durch die Autoscheibe ist diese Strecke schön, und ich merke sie mir für das nächste Mal vor.
In Seydisfjördur angekommen, stellen wir die Inno direkt am Fährenterminal ab.
:away.

Ich schlinge mir die Ortliebtaschen über die Schulter und mache mich auf die Suche nach dem städtischen Campingplatz, den ich schließlich kaum 500 m entfernt entdecke.
Nun bin ich also zwei Tage eher als geplant am Ende meiner Reise angekommen und verbringe den Rest der Zeit ausgedehnten Wanderungen am Fjord entlang und mit einer schönen Tour in einem geliehenen Seekajak.

Dann gleitet die Norröna wieder majestätisch in den Fjord und öffnet ihren Bauch. Eine letzte Kraftanstrengung; die vollbepackte Kleine die steile Rampe ins dritte Deck hochzuwuchten.
Dann habe ich zwei Tage Zeit, mit den inzwischen bekannten Gesichtern unter den anderen Reisenden Geschichten und Fotos auszutauschen. Mit den meisten bin ich mir einig: das war nicht die letzte Fahrt auf diese faszinierende Insel.
Reinhard Hötger